Neues Wahlgesetz: Die Partei hat immer Recht
Neues Wahlgesetz: Die Partei hat immer Recht
Alle reden von mehr Mitbestimmung, sogar die Grünen sind angeblich für Volksentscheide, aber was die Ampel Regierung nun als Gesetzesentwurf vorgelegt hat, um den Bundestag zu verkleinern, kann man nur noch als verfassungsfeindlich bezeichnen.
Sie hat uns alles gegeben. Sonne und Wind, und sie geizte nie. Wo sie war, war das Leben. Was wir sind, sind wir durch sie. Sie hat uns niemals verlassen. Die Partei, die Partei, die hat immer Recht! Die Partei – die Partei – die Partei. Das Lied der Partei, auch bekannt als »Die Partei hat immer recht«, war die Hymne der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Wenn es in der DDR nur eine Partei gab, dann ist das Regieren in der BRD seit Jahren nur noch im großen Bündnissen möglich, ob GROKO oder Ampel, Kenia- oder Jamaika-Koalition. Während sich mein Kollege Rechtsanwalt Helmut Krause aus München seit Jahren für die Direktwahl einsetzt und damit zu einer gerechteren Demokratie beitragen will, hat die »Ampel« das Gegenteil im Sinn: Die Partei soll künftig über den Kandidaten stehen.
Laut dem Vorschlag der »Ampel« soll es jetzt völlig egal sein, ob ein Kandidat seinen Wahlkreis gewinnt oder nicht, entscheidend ist allein die Parteiliste beziehungsweise die sogenannte neue »Hauptstimme« (für die Partei). Ziel sei es angeblich, dass man den Bundestag verkleinern will – Überhangmandate durch die Erststimme entfallen nach dem Gesetzesentwurf vollständig.
Keine Chance für Unbequeme
Dies führt zu absurden Ergebnissen. Man stelle sich vor, ein Kandidat gewinnt seinen Wahlkreis mit 99 Prozent aller Stimmen, ist aber auf der Parteiliste nur sehr weit hinten vertreten, so bedeutet dies, dass er trotz seiner 99 Prozent im Wahlbezirk nicht in den Bundestag einzieht. Und damit diese Tatsache keiner mehr durchschaut, werden die Begriffe gleich mal umgeändert aus Erst- und Zeitstimme wird »Haupt-« und »Wahlkreisstimme«. Wofür die Wahlkreisstimme überhaupt noch gut sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis. Tatsache ist: Wer in den Bundestag kommt, bestimmt ausschließlich die Partei nach deren Listenvorgaben. Unbequeme Parteigenossen haben keine Chance mehr, auch wenn sie in ihrem Wahlbezirk eine absolute Mehrheit erreichen.
Was unbeachtet bliebt: Wer in den Bundestag will, braucht gar keine Partei. Jeder Bürger kann theoretisch zur Wahl antreten, unabhängig von einer Partei – so die Vision von meinem Kollegen Krause. Aktuell direkt gewählte parteilose Abgeordnete: Null. Zu diesen kommt es immer nur dann, wenn ein Parteimitglied die Partei verlässt, prominentes Beispiel: Frauke Petry. Dass es theoretisch auch parteilose Direktwahl-Kandidaten geben könnte, sieht der Gesetzesentwurf daher auch gar nicht vor.
Der Obmann der Union in der Kommission zur Reform des Wahlrechts, Ansgar Heveling, sagte dem digitalen Medienhaus Table Media, SPD, Grüne und FDP legten »die Axt an unser personalisiertes Verhältniswahlrecht«. Heveling hat Recht mit seinem Einwand, diese Reform des Wahlrechts ist nichts anderes als verfassungsfeindlich. Politische Interessen vor Ort spielen keine Rolle mehr, und wer gegen die Parteilinie im Bundestag abstimmt, der findet sich bei der nächsten Wahl ganz schnell auf einem der hinteren Plätze der Parteiliste wieder – dabei ist der Abgeordnete doch nur seinem Gewissen unterworfen, so steht es jedenfalls in Artikel 38 Grundgesetz (GG). Oder man ändert den Artikel 38 GG einfach auch gleich, ich hätte da einen Formulierungsvorschlag: »Die Partei, die Partei, die hat immer Recht! Die Partei – die Partei – die Partei«.
Eklatante Missachtung des Wählerwillens
Was mich interessiert ist folgendes: Wer denkt sich so etwas aus? Die anti-demokratische Gesinnung solcher Gesetzesentwürfe ist erstaunlich, aber wenn man sich anschaut, welche demokratischen Dämme in der Corona-Krise gefallen sind, so braucht man sich über diese eklatante Missachtung des Wählerwillens wohl kaum noch zu wundern.
Parteilose Abgeordnete könnten mehr zur Demokratie betragen als die »Parteisoldaten« in Berlin, denn sie würden die echten Interessen der Bürger vor Ort vertreten und keine von oben vorgegebenen Themen. Ich glaube nicht, dass es in Deutschland eine Demokratie-Müdigkeit gibt, im Gegenteil. Denn der Großteil der Bürger würde sich schon heute gerne politisch einsetzen, scheut aber den Klüngel innerhalb der Parteienlandschaft. Wer in der Partei etwas werden will, muss nämlich vor allem eines sein: stromlinienförmig und angepasst. Nur wer in der Partei seine Freunde um sich scharren kann, schafft es auf die Liste und damit in die Parlamente. Querdenker haben in diesem Politsystem keinerlei Chancen.