Masken im Gerichtsgebäude
Masken im Gerichtsgebäude
Mit Schreiben vom 06.06.2022 wurde der Präsident des Landgerichts Köln, darauf hingewiesen, dass er mit seinem Aushang, „Zum Eigen- und Fremdschutz wird im Gerichtsgebäude auch weiterhin das Tragen einer medizinischen Maske (OP, KN 95 oder FFP2 ohne Ventil) dringend empfohlen.“, gegen sein ihm obliegendes Neutralitäts- sowie Unvoreingenommenheits-Gebot verstößt.
Er wurde um Zeichnung einer Unterlassungserklärung gebeten. Der Unterzeichner sieht im Hinblick auf die betroffenen Verfassungsgüter das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG und die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Neutralität und Unvoreingenommenheit als eines der höchsten Güter an. Durch eine dringende Empfehlung zum Tragen von medizinischen Kleidungsstücken, verletzt der Landgerichtspräsident das Gebot der Neutralität.
Eine durch den Landgerichtspräsidenten ausgesprochene „dringende Empfehlung“ geht über die zulässige „einfache Bitte oder Empfehlung“ hinaus und führt zu empfundener nicht sanktionierbarer „Vorschrift“ durch den Betrachter und u.U. zu diskriminierendem Verhalten.
Somit kann ein bestimmtes, ggf. auch beabsichtigtes Verhalten, herbeigeführt werden. Unter solchen Voraussetzungen ist ein Handeln nicht mehr als neutral zu werten. Amtsträgern, die mit gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen betraut sind, …. sind bei der Ausübung zusammenhängender Amtshandlungen, bei denen Beteiligte, Zeugen oder Sachverständige anwesend sind, das Tragen von medizinischen Kleidungsstücken in der Justiz grundsätzlich freizustellen, jedoch die Aufforderung, Werbung oder sogar die besondere Empfehlung zum Tragen solcher medizinischen Kleidungsstücken, zu untersagen.
Die Neutralität und Unvoreingenommenheit der Richter ist eines der zentralen und grundlegenden Prinzipien eines rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesens. Jegliche Akzentuierung einzelner persönlicher Merkmale und Ansichten des Richters gefährdet den strikt neutralen Rahmen einer
Gerichtsverhandlung. Die Rechtsprechung ist als selbstständige dritte Staatsgewalt in besonderer Weise der Neutralität verpflichtet. Das Grundgesetz gewährleistet den Beteiligten eines rechtsstaatlichen gerichtlichen Verfahrens, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bietet.
Neben der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs. 1 und 2 GG) ist es wesentliches Kennzeichen der Rechtsprechung, dass die richterliche Tätigkeit von einem nicht beteiligten Dritten ausgeübt wird ….
Die rechtsstaatlich gebotene Objektivität, Unparteilichkeit und Unbefangenheit der Richter und der Vertreter der Staatsanwaltschaft müssen auch durch deren äußeres Erscheinungsbild dokumentiert werden. Es ist deshalb geboten, dass im gerichtlichen Verfahren die eine hervorgehobene Funktion wahrnehmenden Berufsrichter, aber auch andere richterliche sowie staatsanwaltschaftliche Aufgaben wahrnehmende Personen in weltanschaulicher und politischer Hinsicht erkennbar strikt neutral auftreten und dadurch einen neutralen Raum schaffen, in dem die Aufmerksamkeit unmittelbar und ohne vermeidbare Ablenkung voll auf die zu entscheidende Sache gerichtet werden kann.
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Das Tragen einer medizinischen Maske kann aber als Überzeugung ausgelegt werden. Das Verbot, als Repräsentant der dritten Staatsgewalt medizinische Kleidungsstücke oder Zeichen sichtbar zu tragen, dient aber der Abwehr einer konkreten oder abstrakten Gefahr für die Gesetzesbindung der Justiz oder einem “Verhandlungsfrieden”. ….
Ein Gerichtsverfahren hat vielmehr die Aufgabe, Rechtsstreitigkeiten zwischen den Prozessparteien frei von externen Einflüssen auf einem strikt neutralen Forum einer Lösung zuzuführen……
Im Hinblick auf den hohen Stellenwert eines neutralen und unvoreingenommenen Richters für das Rechtsstaatsprinzip und die eher moderate Beschränkung der Religionsfreiheit und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit kann und darf eine medizinische Empfehlung, deren Wirksamkeit heftigst umstritten ist, nicht beworben, empfohlen oder sogar angeordnet werden ….
Insofern ist das persönliche Verhalten des Landgerichtsdirektors nicht als neutral zu bewerten (vgl. Entscheidung des Hessischen VGH vom 23.5.2017 – 1 B 1056/17). Er erweckt den Eindruck, dass er über eine allgemeine medizinische Bildung oder Kenntnis verfügt und somit das Tragen medizinischer Kleidung´„dringend empfiehlt“. Die „dringende Empfehlung“ wird im Allgemeinen als „Soll- Vorschrift“ empfunden und bietet Raum für Interpretation.