Satire Posting über Ricarda Lang – Strafverfahren eingestellt
Satire Posting über Ricarda Lang – Strafverfahren eingestellt
Kürzlich hatte ich einen Fall auf dem Tisch, bei dem die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt/ Main zunächst einen Anfangsverdacht für eine Volksverhetzung wegen einem Satirebild von Frau Ricarda Lang bejahen wollte. Bei dem Posting auf „X“ sah man eine leicht bekleidete Frau Lang auf dem Schoß von Robert Habeck, mit dem Kommentar: „ich hatte einen ganz schlimmen Alptraum“.
Die Kölner StA wollte die Frankfurter unterstützen, weil diese einen sog. Aktionstag gegen Frauenhass geplant hatte. Trotz des offensichtlichem „Verfolgungsdrangs“ der StA Köln, reagierte die Geschädigte Ricarda Lang nicht und stellte eben keinen Strafantrag, damit wäre die Akte im Normalfall zuzuklappen gewesen, da weder ein Anfangsverdacht für eine Volksverhetzung vorlag und der erforderliche Strafantrag für eine Beleidigung fehlte.
Wie sie sich denken können, gab sich die Kölner StA damit aber nicht zufrieden. Ein „Trick“ der Staatsanwälte ist es, dass sie, wenn keine Strafanzeige vorliegt, sie nach dem (neuen) § 188 StGB vorgehen wollen, für den kein Antrag erforderlich ist.
§ 188 StGB richtet sich an „im politischen Leben des Volkes stehende Personen“. Dabei ist der geänderte § 188 StGB seit seiner Einführung rechtspolitisch umstritten. Eingeführt um vor allem Kommunalpolitiker zu schüzen und zwar vor sog. „Fake News“, wird § 188 StGB nun vornehmlich auch für Bundespolitikern wie Habeck, Strack-Zimmermann und Co. „in Anspruch“ genommen, dies war aber gar nicht die Intension des Gesetzgebers.
§ 188 StGB stellt keine Beleidigungen im Sinne des § 185 StGB unter Strafe. Es geht vielmehr um üble Nachreden oder Verleumdungen im Sinne von §§ 186, 187 StGB. Bei diesen Paragrafen wird in einem Kommunikationszusammenhang mit Dritten dem Opfer eine ehrenrührige Tatsache zugeschrieben. Im Gegensatz zu § 185 StGB (Beleidigung), bei dem der Täter eigene Missachtung ausdrückt, schürt der Täter bei § 186 StGB also eine fremde Missachtung.
Und damit es auch die StA in Frankfurt/ Main und die StA Köln verstehen: es ist zwar gemein, wenn man in einem satirischem Post, jemanden wegen seiner Körperfülle durch den Kakao zieht, strafbar ist dies jedenfalls nach § 188 StGB nicht – denn unverkennbar ist Frau Lang eben dick!
Was soll daran aber eine Fake-News sein soll, außer, dass es für Anhänger der Grünen vielleicht ärgerlich ist, erschließt sich mir nicht. Man kann dies sicherlich als eine Geschmacklosigkeit bewerten, aber eben nicht als strafbar.
Die nächste Frage wäre dann ja auch noch, wie ein solches Satire-Posting tatsächlich dazu geeignet sein soll, das öffentliche Wirken der Frau Ricarda Lang erheblich zu erschweren, wie § 188 StGB dies voraussetzt. Mit dieser butterweichen Formulierung ist Tür und Tor für eine Gesinnungsjustiz eröffnet, oder wie Dr. Alexander Heinze – Akademischer Rat a.Z. am Institut für Kriminalwissenschaften in der Abteilung für ausländisches und internationales Strafrecht an der Universität Göttingen – es ausdrückt:
Gerade bei Ehrverletzungen über die Medien entbehrt diese Entwicklung nicht einer gewissen Ironie, war der Reiz einer „Bestrafung“ über das Zivilrecht doch darauf zurückzuführen, dass strafrechtliche Novellen zum Schutz vor Medienmissbrauch in der Vergangenheit am Widerstand der Medien und öffentlichen Meinung scheiterten.
Warnungen von Experten und Sachverständigen aus der Wissenschaft werden in Gesetzgebungsprozessen zwar gehört, im Ergebnis aber oft ignoriert. Natürlich ist es dem Gesetzgeber unbenommen, auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Und der Ruf nach einer frischer Gesetzgebung ist letztlich auch das Resultat offen formulierter Strafnormen. Doch handelt es sich, erstens, bei vielen gesetzgeberischen Debatten um Scheingefechte, die fehlende Ressourcen bei der Strafverfolgung kaschieren sollen; wird, zweitens, die Rolle der Gerichte in diesen Debatten unterschätzt; und sind, drittens, systemwidrige Gesetzgebungsschritte zwar kaum vermeidbar, doch beherrschbar: indem der reflexartige Ruf nach frischer Strafgesetzgebung nicht auf einen Monolog der Rufenden reduziert wird, sondern zu einem Dialog mit dem Gesetzgeber wächst.
Das Bundesverfassungsgericht betont zudem, dass „grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik“ an der Bundesregierung rechtlich zulässig ist. Die Hürden für eine Untersagung der Äußerung liegen in dieser Konstellation höher als in einer privaten Auseinandersetzung, da die Grundrechte keinen Ehrschutz für den Staat gewähren, wie dies bei Bürgerinnen und Bürgern der Fall ist. In vorherigen Entscheidungen hat das BVerG bereits die hohe Bedeutung der Meinungsfreiheit hervorgehoben.
Sich über den Staat und auch über Politiker lustig zu machen, gehört zu einer Demokratie dazu. Verallberungen müssen daher auch möglich sein, ansonsten haben wir Verhältnisse wie in der DDR, wenn Machtkritik nicht mehr erlaubt sein darf. Das in Frage stehende Posting über Ricarda Lang unterfällt damit der Meinungs- bzw. Satirefreiheit. Dass es sich offensichtlich um Satire handelt, kann jeder erkennen – auch wenn nicht jeder darüber lachen kann, oder muss.
Was allerdings im Sinne von § 188 StGB daran eine Fake News sein soll, und dies ist ja die Zielrichtung des § 188 StGB ist ebenfalls nicht ersichtlich. Da Frau Lang selbst auch keinen Strafantrag gestellt hat, wäre das Verfahren an der Stelle einzustelllen gewesen, anstatt eine Strafbarkeit nach dem § 188 StGB konstruieren zu wollen.
Von Seiten der StA sollte also auch darauf geachtet werden, dass hier über den § 188 StGB nicht ein „zwei Klassen-Strafrecht“ aufgemacht wird. Auf der einen Seite der normale Bürger, der keinen Strafantrag gestellt hat, wenn er meint in seiner Ehre verletzt worden zu sein und auf der anderen Seite dann Bundespolitikerinnen, für die man dann auch noch aktiv ermittelt, die keine Strafanzeige gestellt haben, dann aber angeblich in ihrem politischen Wirken beeinträchtigt wurden. Das Recht auf Meinungsfreiheit gehe darauf zurück, auch Machtkritik äußern zu können, führte das Verfassungsgericht aus. Die Kritik an der Bundesregierung sei auch dann geschützt, wenn sich dabei Tatsachen und Meinungen vermengten.
Sich über dicke Frauen, aber auch über dicke Männer lustig zu machen, ist sicherlich geschmacklos. Es ist aber nicht strafbar und es stellt eben keinen Fall des § 188 StGB dar. Wenn Satire derartig verfolgt werden würde, dann wäre dies nämlich zum Schaden der Demokratie und der Meinungs- und Satirefreiheit.
Das Kölner Amtsgericht folgte meiner Argumentation und stellte das Verfahren gegen meinen Mandanten ein.
Tatsache ist aber auch, dass sich Bürger inzwischen Gedanken darüber machen, was sie posten können oder nicht. Viele haben Angst in die Mühlen der Justiz zu geraten und „verzichten daher schon freiwillig“ darauf, ihre Meinung zu äußern. Auf der anderen Seite gibt es im Internet auch täglich tausende von Beleidigungen, die auch zu Recht vor dem Gericht landen. Wie die Justiz das richtige Maß findet damit umzugehen, bleibt abzuwarten. Anstelle von Gerichten aber private Organisationen einzusetzen, die darüber wachen sollen, was zulässig oder unzulässig in Sinne der Meinungsfreiheit ist, halte ich für falsch. Eine tendenzöse Einschätzung der freien Meinung ist dann Tür und Tor geöffent, je nach Mindset der Organisation. Der „X“ Eigentümer Elon Musk klagt seinerseits aktuell gegen die Herausgabe von Nutzerdaten an solche Organisationen, da er ihnen nicht vertraut …