Pandemische Lage – ein rechtlicher Rückblick
Pandemische Lage – ein rechtlicher Rückblick
Die Corona-Pandemie gilt nicht mehr als internationaler Gesundheitsnotstand. WHO Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus, verkündete am 05.05.23 in Genf die Aufhebung der höchsten Alarmstufe. Aber welche Auswirkungen hat diese Entscheidung nun rechtlich für die Corona Maßnahmen in Deutschland? Die WHO hatte am 30.01.2020 die „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ wegen dem Corona Virus ausgerufen. Der Deutsche Bundestag beschloss daraufhin am 28. März 2020 eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“. Damals fragte ich mich, was dies eigentlich bedeuten soll. Eine Definition für den Begriff einer „epidemischen Lage“ war nicht zu finden und die Presse trug auch nicht zu einer Aufklärung bei. Damals machte ich mein erstes Video bei YouTube – „Was ist eigentlich eine pandemische Lage?“ und wunderte mich, warum ich im ZDF dazu nichts zu hören und sehen bekam.
Eine pandemische Lage von nationaler Tragweite
So dachten jedenfalls viele Menschen, dass die Einschränkung der Grundrechte aufgrund dieser epidemischen Lage erfolgen würde, dies ist aber falsch, wie ich auch erst später festgestellt habe, nachdem ich mir das Infektionsschutzgesetz angeschaut hatte – was ich vorher gar nicht kannte. Erst mit dem Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 wurden in § 5 Abs. 1 Satz 4 IfSG die Voraussetzungen für die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag in das IfSG aufgenommen und zumindest umschrieben. Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil:
1. die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder
2. eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.
Der § 5 IfSG hatte aber mit den Corona Maßnahmen und den damit verbundenen Einschränkungen der Grundrechte gegenüber den Bürgern gar nichts zu tun, sondern regelt nur die Befugnisse des Gesundheitsministers, dass dieser zum Beispiel Impfstoffe einkaufen kann, oder auch den Preis dafür festlegen kann, usw. Ferner ist die pandemische Lage auch nicht an die WHO geknüpft, denn im Gesetz heißt es „oder“ eine dynamische Ausbreitung, diese dynamische Ausbreitung reicht also zur Feststellung der pandemischen Lage völlig aus.
§ 28 IfSG und die erforderlichen Maßnahmen
Die Covid Maßnahmen gegen die Bevölkerung konnten nach dem „butterweichen“ § 28 IfSG beschlossen werden, der nur besagt, dass zur Verhinderung übertragbarer Krankheiten die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden können. Diese Maßnahmen sind dann entsprechend von den Ländern zu beschließen und nicht vom Bund. Und damit fing der Corona Maßnahmen Wahnsinn und auch Wettbewerb an. Diejenigen Länderchefs, die die strengsten Maßnahmen verhängten wurden bejubelt, während die Landesfürsten die zögerlich waren in den Medien an den Pranger gestellt wurden. Ein umsichtiger Armin Laschet war den Medien stets zu lasch – sicherlich auch ein Grund dafür, warum Laschet kein Bundeskanzler geworden ist.
Kaum einer fragte sich, ob diese Maßnahmen tatsächlich erforderlich waren, wie das Gesetz es verlangte. An dieser Stelle kommt die inzwischen allen bekannte Verhältnismäßigkeitsprüfung ins Spiel. Eine Maßnahme muss geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Ob dies der Fall ist, haben die Verwaltungsgerichte dann immer nur in den Eilentscheidungen festgestellt und zwar ohne, dass diese sich umfassend informiert hätten, die Entscheidungen stellten immer nur fest: das RKI hat gesagt, dies wäre so. Über diesen Prüfungsmaßstab ärgerten sich viele Anwälte, denn Verwaltungsgerichte sind schließlich dazu verpflichtet von sich aus den Sachverhalt zu ermitteln – da reicht es eben nicht aus, dass man sich stets den Modellrechnungen des RKI anschließt.
Dieses „Spielchen“ fand dann ein Ende, nachdem auch die Verwaltungsgerichte ihre Zweifel daran bekamen, ob man auf Dauer ohne ein Gesetz die Grundrechte nur aufgrund von Verordnungen einschränken kann. So entschied am 5. November 2020 der bayerische Verwaltungsgerichtshof: „Nach Auffassung des Senats bestehen erhebliche Zweifel, ob die mit dem vorliegenden Eilantrag angegriffenen Maßnahmen noch mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts bzw. des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG vereinbar sind. Mittlerweile erfolgen – jedenfalls im antragsgegenständlichen Wirtschaftszweig des Hotel- und Gaststättengewerbes – erhebliche Grundrechtseingriffe über einen längeren Zeitraum allein durch die Exekutive, wobei mit der Dauer der Maßnahmen und der Intensität der mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffe die Frage an Gewicht gewinnt, ob die Verordnungsermächtigung zugunsten der Ländern in den §§ 28, 32 IfSG noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG genügt“.
Die Bundesnotbremse – das 3te „Corona Gesetz“
Die Regierung war daher ab diesem Zeitpunkt dazu gezwungen, sich etwas neues einfallen zu lassen, als das weitere „herum gewurschtel“ mit der Generalklausel nach dem § 28 IfSG. In dem Medien wurde dies damals so kommuniziert, dass die Menschen sich eine einheitliche Regelung wünschen würden und so kam es am 18.November 2020 zu dem bereits oben genannten 3ten Corona Gesetz – der sog. „Bundesnotbremse“.
Erstmals wurde nun definiert, was eine pandemische Lage überhaupt ist und welche Maßnahmen unter welchen Bedingungen in Kraft treten sollten. Zu diesem Zweck wurde der Inzidenzwert erfunden. Für den Tag „x“ werden alle gemeldeten Neuinfektionen der jeweils (davor) zurückliegenden sieben Tage addiert. Die Summe wird durch die Einwohnerzahl des Kreises geteilt. Danach wird dieser Wert mit 100.000 multipliziert. Versteht zwar keiner, ist aber auch egal – hört sich einfach wichtig an und ist nicht nachvollziehbar. Von dem bis dahin „im Trend“ liegenden R-Wert wollte man nun nichts mehr wissen. Ebenso wie der Inzidenzwert dann nachher als unsinnig erklärt wurde und die Überbelegung der Intensivstationen an Wichtigkeit gewinnen sollte. Warum man dies nicht von Anfang an für den Maßstab eines am Rande seiner Grenzen sich befindlichen Gesundheitssystems genommen hat ist einfach zu erklären: im großen Pandemie Jahr 2020 waren die Krankenhäuser leer und nachfolgend hat man genug Anreize dafür geschaffen, Intensiv-Betten eher abzubauen als auszubauen.
Wie dem auch sei, jedenfalls hatte man nun einen neue Regelung geschaffen, damit die Gerichte erst mal Ruhe geben konnten. Ab einem Inzidenzwert von 100 sollten dann auch wieder Lockdowns verhängt werden können. Erst im Mai 2021 endete der zweite, fast sechs-monatige „Lockdown light“ in Deutschland, nach Willen der Kanzlerin Merkel sollte dann noch eine sog. „Osterruhe“ folgen.
Das 3te Corona Gesetz enthielt unter anderem folgende Regelungen:
– Kontaktbeschränkungen für private Treffen drinnen und draußen
– Körpernahe Dienstleistungen wurde verboten
– Eingeschränkte Freizeit- und Sportmöglichkeiten
– Öffnungen von Geschäften wurden verboten
– Kultureinrichtungen wurden geschlossen
– Ausgangsbeschränkungen im Zeitraum zwischen 22 und 5 Uhr
– Verpflichtung für Arbeitgeber Homeoffice anzubieten
Was für ein Glück, dass dann Ende des Jahres 2020 schon die dringend benötigten neuartigen Impfstoffe auf den Markt gekommen sind. Man stelle sich vor, diese Einschränkungen hätten, wie sonst bei der Impfstoffentwicklung, über Jahre angedauert. Die 101-jährige Edith Kwoizalla aus einem Seniorenzentrum in Halberstadt im Harz, Sachsen-Anhalt, hat am 26. Dezember 2020 als erste Bundesbürgerin eine Corona-Impfung bekommen.
Am 11.12.2021 folgte dann das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 durch die neue Ampel-Regierung
Eingeführt wurden:
eine tägliche Testpflicht am Arbeitsplatz
Maskenpflicht in Bus und Bahn
sowie einige Regelungen dazu wer impfen darf, so u.a auch Tierärzte
neben 3G Regelungen wurden auch die offensichtlich verfassungswidrigen 2G Regelungen eingeführt, um Menschen zur Impfung zu nötigen.
Sodann einigte man sich auf eine Einrichtungs- und Unternehmenbezogene Impfpflicht für Menschen im Gesundheitswesen. Wer sich nicht impfen lassen wollte, der sollte durch die Gesundheitsämter vom Arbeitsplatz durch ein Betretungsverbot ausgeschlossen werden können, in Bayern merkte man dagegen schnell, dass dies die Lage in den Krankenhäusern noch verschlimmern würde und sprach keine Betretungsverbote aus. Diese ganzen Maßnahmen waren an die Feststellung der pandemischen Lage gebunden und endeten dann am 31.12.2022 per Zeitablauf. Bereits am 07.09.2022 forderte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Bundestag auf, die einrichtungsbezogene Impfpflicht „zeitnah“ auszusetzen. Dem folgte der Bundestag allerdings nicht. Dafür hat er am 08.09.2022 eine bundesweit seit 01.10.2022 geltende Masken- und Testpflicht für das Personal von Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens eingeführt.
Das Verwaltungsgericht des Saarlandes hat dem Eilantrag eines in einem Krankenhaus tätigen ungeimpften Krankenpflegers gegen ein (erst) am 30.11.2022 behördlich angeordnetes Betretungs- und Tätigkeitsverbot stattgegeben. Da zum Zeitpunkt der Anordnung des Verbots nach Auffassung des Gerichts bereits bekannt war, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht zum 31.12.2022 auslaufen werde, sei der verbliebene Nutzen des Betretungs- und Tätigkeitsverbots auch im Hinblick auf den ihm zugrunde liegenden Zweck, vulnerable Personen vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen, soweit verringert gewesen, dass er den empfindlichen Eingriff in die Berufsfreiheit des Krankenpflegers aus Art. 12 GG und die hiermit verbundenen erheblichen Konsequenzen wie den Wegfall seiner monatlichen Arbeitseinkünfte nicht mehr rechtfertigen konnte.
Die Maßnahmen der Länder nach der Generalklausel des § 28 IfSG hatten also nie etwas mit der Feststellung der Pandemie durch die WHO zu tun. Nachfolgend waren die Maßnahmen von der Feststellung der pandemischen Lage durch den Bundestag bedingt. Der § 28 IfSG wurde seit Beginn der Pandemie als eine Art „Generalklausel“ für alle Maßnahmen „missbraucht“. Dem wurde aber entgegen gehalten, dass der Gesetzgeber nur regeln kann, was als regelungsbedürftig erkennbar ist. Es wird daher aus rechtlicher Sicht mehrheitlich als legitim angesehen, dass die Maßnahmen im Frühjahr 2020 (Lockdown I) zunächst (nur) auf § 28 IfSG gestützt wurden.
Allerdings hätte der Gesetzgeber dann im regulären Gesetzgebungsverfahren durch Schaffung neuer Ermächtigungsgrundlagen zeitnah nachsteuern müssen, was zunächst nicht und dann im November 2020 erst geschehen ist, nachdem mehrere Gerichte zu erkennen gegeben hatten, dass sie die infektionsschutzrechtliche Generalklausel nicht mehr als hinreichende Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe ansehen. Aber auch wenn die notwendigen Rechtsgrundlagen geschaffen werden, und das ginge ja ggfs. auch sehr schnell, setzen die Grundrechte und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen. Grundrechte, wie die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG), dürfen zwar eingeschränkt werden, was § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Zitiergebots (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG) ausdrücklich hervorhebt.
Gegen eine rechtswidrige Ausgangssperre konnte man allerdings in Bayern gar nicht mehr demonstrieren, weil ja alle Versammlungen durch Allgemeinverfügung verboten wurden. In Wirklichkeit hat eine systematische Bedrohung des Gesundheitssystems in der gesamten BRD aber niemals stattgefunden. Von den Maßnahmen-Befürwortern wird dagegen bis heute behauptet: nur wegen den Maßnahmen, was von ihnen noch zu belegen wäre.
Das Finale der Corona Gesetzgebung fand aus meiner Sicht am 7. April 2022 bei der Abstimmung im Bundestag über eine allgemeine Impfpflicht gegen COVID-19 statt. Vordergründig scheitete die allgemeine Impfpflicht daran, dass man sich nicht über eine Altersgrenze einigen konnte. Im Rückblick sehe ich diese Abstimmung als eine Farce an – hatten doch bereits vor der Bundestagswahl zahlreiche Politiker wie u.a. Armin Laschet (CDU), oder auch Nancy Faeser (SPD) sich dahingehend geäußert, dass eine allgemeine Impfpflicht nicht verfassungsgemäß sei. Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass selbst ein Verfassungsrichter Stephan Harbarth der Politik eine allgemeine Impfpflicht nicht hätte durchgehen lassen.