Kriegstreiberin: Freispruch vor dem Straf- und Zivilgericht
Kriegstreiberin: Freispruch vor dem Straf- und Zivilgericht
Nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ stellt die FDP Politikerin Agnes Strack-Zimmermann monatlich 250 Strafanzeigen gegen ihre Kritiker. Bei der Beurteilung dieser Fälle, die sich ganz überwiegend auf Äußerungen auf der Plattform X (früher Twitter) beziehen, kommt es darauf an, ob es sich bei den Äußerungen um eine sog. Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung handelt, oder ob die Aussagen der Meinungsfreiheit nach Art.5 Grundgesetz unterfallen.
Dabei stellt Frau Agnes Strack-Zimmermann zunächst Strafanzeige, um anschließend vor dem Zivilgericht auch noch Schmerzensgeld einklagen zu können. Nun stand am 29.05.2024 eine meiner Mandantinnen in Düsseldorf vor dem Strafgericht, weil sie Strack-Zimmermann als eine „Kriegstreiberin“ bezeichnet hatte. Das Verfahren endete mit einem Freispruch, weil es sich bei der Bezeichnung um eine Äußerung im politischen Meinungskampf gehandelt hatte.
UPDATE: Gestern, am 20.06.2024, erhielten wir nun das Urteil vom Zivilgericht aus Rheine und auch dieses Verfahren haben wir gewonnen! Der Antrag auf Unterlassung der Meinungsäußerung und der Schadensersatz, welchen Strack-Zimmermann haben wollte, wurde abgelehnt.
In einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Mainz, geht es um die Bezeichnung als eine „widerliche korrupte Kriegstreiberin“. Dies ging dem Landgericht Mainz zu weit. Die Äußerung der Antragstellerin stellt sich im vorliegenden Fall, in dem sie in einem völlig davon losgelösten Kontext geäußert wird, jedoch nicht mehr als zulässige, überspitzte Kritik an den Mitgliedschaften der Antragsgegnerin in der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, dem Förderkreis Deutsches Heer und der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik dar.
Das Mainzer Landgericht sah diese Äußerung jedoch nicht als generell unzulässig an, sondern insbesondere nur deshalb, weil die Äußerung in einem Zusammenhang gefallen war, mit dem Thema Krieg nichts zu tun hatte. Die Äußerung wurde nämlich als Reaktion auf einen Tweet von Frau Strack-Zimmermann zur Wahlrechtsreform sowie der Positionierung einzelner politischer Parteien zu diesem Gesetz, abgesetzt und hatte daher nichts mit einer Diskussion zum Thema Waffenlieferungen zu tun.
Generell gilt: weichenstellend für die Prüfung einer Grundrechtsverletzung ist die Erfassung des Inhalts der beanstandeten Äußerung, insbesondere die Klärung, in welcher Hinsicht sie ihrem objektiven Sinn nach das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigt. Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung. Maßgeblich ist daher weder die subjektive Absicht des sich Äußernden, noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat.
Die Bezeichnung als Kriegstreiberin ist aus Sicht des Durchschnittslesers erkennbar darauf gerichtet, dass das Verhalten der Antragsgegnerin von der Antragstellerin in eine bestimmte Richtung hin gewertet wird. Der Durchschnittsleser entnimmt der Wertung der Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin gegenüber Kriegen eine bestimmte – ggf. befürwortende – Position einnimmt, wobei dies aus der Sicht des Durchschnittslesers erkennbar überspitzt ist. Bei der Bezeichnung als Kriegstreiberin musste die Antragstellerin auch nicht diejenigen Tatsachen mitteilen, auf die sie ihre Bewertung möglicherweise stützt (vgl. BGH, NJW 1974, 1762).
Formalbeleidigung oder Meinungsfreiheit
Ob eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, ist aufgrund einer Abwägung des Rechts der Antragsgegnerin auf Schutz ihres Persönlichkeitsrechtes nach Art. 1, 2 Abs. 1 GG mit dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Rechts der Antragstellerin auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Denn wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind.
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08 – juris, Rand-Nr. 12 m.w.N.). Welche Maßstäbe für diese Abwägung gelten, hängt grundsätzlich vom Aussagegehalt der Äußerung ab, also von deren Einstufung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung. Diese Unterscheidung ist deshalb grundsätzlich geboten, weil der Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Grundgesetz bei Meinungsäußerungen regelmäßig stärker ausgeprägt ist als bei Tatsachenbehauptungen (BGH, Urteil vom 05. Dezember 2006 – VI ZR 45/05 – juris, Rand-Nr. 14 m.w.N.). Bei wertenden Äußerungen treten die Belange des Persönlichkeitsschutzes gegenüber der Meinungsfreiheit grundsätzlich zurück, es sei denn, die in Frage stehende Äußerung stellt sich als Schmähkritik oder Formalbeleidigung dar.
Dies bedeutet: Äußerungen die einfach nur dazu gedacht eine Person fertig zu machen und diese in ihrer Ehre herabzusetzen, sind grundsätzlich nicht erlaubt. Äußerungen die aber in einem politischen Meinungskampf getätigt werden, wie auch Kriegstreiberin, sind erlaubt, aber auch nur dann, wenn es um eine Diskussion in der Sache geht. In dem Mainzer Fall war dies nach Ansicht des Landgerichts Mainz nicht so, da es hier nicht um das Thema Krieg ging, sondern um die Wahlrechtsreform. Der Beschluss aus Mainz hat trotzdem positive Aspekte, denn erstens stellt das Gericht klar, dass das Landgericht für diese Streitigkeiten zuständig ist, da der Streitwert mit über 5.000 Euro zu bemessen ist, was ich auch ständig beim Amtsgericht in Rheine vorgetragen habe und dort bisher auf taube Ohren gestoßen ist und zweitens, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 600 Euro für die Aussage „widerliche korrupte Kriegstreiberin“ als überzogen angesehen wird – angemessen sei aber ein Schmerzensgeld in Höhe von 200 Euro.
Wichtig ist politischen Meinungskampf auf sozialen Netzwerken ist also: bleiben sich sachlich! Sie können zwar hart in der Sache diskutieren, aber sparen Sie sich dabei Kraftausdrücke, die als Formalbeleidigung bewertet werden – sie möchte wollen ja selbst auch nicht mit Schimpfwörtern überzogen werden! Bevor sie also in der Emotion zurückschrieben, lehnen sie sich zurück und überlegen genau, was sie meinen und wie sie dies auch sachlich zum Ausdruck bringen können – dann bekommen sie auch keinen gelben Brief vom Gericht.