Luisa Neubauer beleidigt. Geschäftemacherei mit Geldentschädigungen?
Luisa Neubauer beleidigt. Geschäftemacherei mit Geldentschädigungen?
Politiker reagieren auf Kritik im Internet bekanntlich dünnhäutig. Meiner Einschätzung nach handelt es sich dabei inzwischen um ein Geschäftsmodell, bei dem angebliche Beleidigungen abgemahnt werden, um Kasse zu machen. Neben der Abmahnung wird zusätzlich eine Geldentschädigung geltend gemacht.
Meine Mandantin hatte die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer im Internet als eine „Schwurblertussi“ der ohnehin niemand mehr glauben würde, bezeichnet. Sie sei eine „dumme Göre“. Neben der Unterlassung dieser Aussagen, wollte die Gegenseite auch noch eine Geldentschädigung von 2.500 EUR haben.
Da meine Mandantin mittellos ist, haben wir zunächst Prozesskostenhilfe beantragt. Das Landgericht Frankfurt lehnte ab. Auf unsere Beschwerde beim Oberlandesgericht, wurde dann doch Prozesskostenhilfe bewilligt, allerdings nur in Bezug auf die Geldentschädigung von 2.500 EUR. Die Bezeichnung als „dumme Göre“ sei eine beleidigend, die Abmahnung daher berechtigt. Allerdings handele es sich noch nicht um eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung, so dass das Land- und Oberlandesgericht Frankfurt / Main eine Geldentschädigung letztlich ablehnte.
Die Aussagen waren rechtwidrig, das OLG Frankfurt führt dazu aus:
„Zwar ist der Beschwerde noch zuzugeben, dass der Kommentar der Beklagten auf einen Beitrag über die Klägerin, welcher ein Zitat der Klägerin enthält, erfolgt war. Dies allein genügt aber noch nicht, um eine Auseinandersetzung mit Sachbezug zu begründen. Vielmehr zeigt der Inhalt der Äußerungen der Beklagten einen ganz überwiegenden und deutlichen Bezug zu der Person der Klägerin selbst, indem diese als „dumme Göre“ und „Schwurbeltussi“ bezeichnet wird.
Dabei geht es schwerpunktmäßig nicht um den Inhalt des Zitats der Klägerin, der in dem Beitrag gepostet wurde, sondern ganz vorwiegend um den Umstand, dass sich die Klägerin inhaltsleer äußerte („schwurbeln“). Im Übrigen wird die Klägerin allein mit Bezug auf ihre Person („dumm“), ihr Geschlecht („Tussi“) und ihr junges Alter („Göre“) herabgewürdigt.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es sich bei der Klägerin um eine in der Öffentlichkeit stehende Klimaaktivistin handelt, die mit ihren öffentlich verlautbarten Forderungen und Ideen mit „Gegenwind“ rechnen muss – wie es die Beschwerde anführt –, denn zum einen handelt es sich bei dem Beitrag um keinen Beitrag, den die Klägerin selbst veröffentlicht hat, sondern vielmehr wurde dieser von einem Dritten („campact“) veröffentlicht, so dass die Klägerin hier keine „Diskussion“ selbst begonnen hatte und so der Beklagten ein „Recht zum Gegenschlag“ unmittelbar eröffnet hätte.“
„Zum anderen hat die Klägerin sicherlich inhaltlichen „Gegenwind“ und auch scharfe Kritik an ihren Forderungen und Ideen zu erwarten, jedoch hat sie solche Äußerungen nicht hinzunehmen, denen es an dem notwendigen Sachbezug erkennbar fehlt und die in erster Linie ihre Person herabwürdigen“, so das Oberlandesgericht in Frankfurt / Main.

Warum man dies rechtlich auch anderes sehen kann
Ich denke, dass man dies auch anders sehen kann. Denn erstens kann es keinen Unterschied machen, ob die Aussage von der Geschädigten selbst veröffentlicht wurde, oder aber als Zitat von Luisa Neubauer über den Kanal „campact“ und zweitens bezieht die Kritik als „dumme Göre“, also ein junges dummes Mädchen“, sich darauf, dass die Geschädigte ihre Aussage aufgrund ihrer Jugend und Unerfahrenheit äußerte. Dies ist aber keine Kritik an der Person ansich.
Ich halte dies für eine zulässige Äußerung, die einen Konflikt der Generationen zum Ausdruck bringt – auch wenn die Aussage als überspitzt zu bewerten ist. Von Bedeutung ist für die insoweit gebotene Abwägung unter anderem, ob die Äußerung lediglich eine private Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen betrifft oder ob von der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>).
Nach dieser Ansicht des BVerfGE halte ich die Äußerungen noch als vertretbar, da es sich um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung handelt und nicht um einen plumpe Beschimpfung. Hintergrund ist ein Generationen-Konflikt von Menschen, die auf der einen Seite zum Aufbau unseres Landes und zum Wirtschaftswunder beigetragen haben und auf der anderen Seite, jungen Mädchen wie Luisa Neubauern, denen es niemals an etwas gefehlt hat, alles als selbstverständlich ansehen und den Umweltschutz vor alle anderen Belange dieser Gesellschaft stellen wollen. Dies kann man meiner Ansicht nach auch als dumm bezeichnen, denn ohne unsere Wirtschaft lässt sich nicht mal das Sozialsystem aufrechterhalten, was ebenfalls einen Aufgabe mit Verfassungsrang ist, vgl. Art.20 Grundgesetz.
Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat,
der muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 12, 113 <131>; 24, 278 <286>; 54, 129 <138>).
Keine Geldentschädigung vom Gericht zugestanden
Eine Geldentschädigung ging dem Gericht dann allerdings zu weit. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen begründet die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann.
Es handelt sich bei den Aussagen meiner Mandantin jedoch nicht um sog. Formalbeleidigungen. Auch handelt es sich nicht um einen Angriff auf den innernsten Kern des Persönlichkeitsrechts, wie es etwa bei Herabwürdigungen mit sexuellem Bezug der Fall wäre, so das OLG Frankfurt/ Main.
Eine Geldentschädigung muss meine Mandantin daher nicht bezahlen. Gleichwohl muss sie die Anwaltskosten der Gegenseite bezahlen. Da der Streitwert auf 17.500 EUR festgesetzt wurde, belaufen sich diese schon außergerichtlich auf über 1.200 EUR allein für die Abmahnung, hinzu kommen die Kosten des Gerichtsverfahrens.
Bemerkenswert sind die Begleitumstände des Verfahrens
Die Anwältin der Gegenseite die beantragte die Prozesskostenhilfe abzulehnen, tat dies nicht im Namen von Luisa Neubauer, sondern im Namen von „Hate Aid“. Ich gehe daher davon aus, dass die Kanzlei der Gegenseite auch nicht von Luisa Neubauer beauftragt wurde, sondern eben von „Hate Aid“, zumal die Anschrift der Frau Neubaur auch nicht angegeben wurde, sondern lediglich „c/o Hate Aid“. Solche „Care of“ (c/o) Klagen sind nach Ansicht des OLG Frankfurt, Urteil vom 15. Mai 2014,16 U 4/14, schon gar nicht erst zulässig. Erst durch die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift dokumentiert der Kläger seine Bereitschaft, sich möglichen nachteiligen Folgen des Prozesses, insbesondere einer Kostenpflicht, zu stellen und ermöglicht dem Gericht die Anordnung seines persönlichen Erscheinens. Führt ein Kläger einen Prozess aus dem Verborgenen, um sich dadurch einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen, handelt er rechtsmissbräuchlich.
Es ist aus meiner Sicht daher schon zweifelhaft, ob die Geschädigte Neubauer überhaupt selbst Kenntnis von dem Posting auf X hatte und wie man beleidigt sein kann, wenn man ein Posting selbst gar nicht gelesen hat. Das Ziel von „Hate Aid“ ist hingegen klar, politisch unliebsame Äußerungen sollen aus dem Internet verschwinden. Eine Vollmacht von Luisa Neubauer wurde auch erst in letzter Sekunde, in der mündlichen Verhandlung, vorgelegt. Ich bezweifele jedenfalls, dass die Klima-Aktivistin vorher auch nur den Dunst einer Ahnung von dem Verfahren hatte. Dass es sich meiner Ansicht nach um ein Geschäftsmodell handelt, hatte ich dem Gericht mitgeteilt, ebenso wie den zweifelhaften Vorschlag der Gegenseite einen Tag vor der mündlichen Verhandlung.
So schlug mir die Prozessvertreterin der Gegenseite allen Ernstes vor, dass man auf die Anwaltsgebühr für die Abmahnung verzichten würde, wenn meine Mandantin dafür die Geldentschädigung bezahlen würde. Eine Anwaltskanzlei, die umsonst arbeiten will, wenn ihre Mandantin eine nicht bestehende Entschädigung erhält, wie kommt man auf einen solchen Vorschlag.
Die Rolle von „Hate Aid“ in dem Verfahren
Bezahlt wird der Anwalt vermutlich nicht von der Mandantin Luisa Neubauer, sondern von „Hate Aid“. Luisa Neubauer muss sich im Gegensatz zu meiner mittellosen Mandantin daher keine Gedanken über mögliche finanzielle Risiken eines Verfahrens machen, ihr kann es daher egal sein, ob sie vor Gericht gewinnt oder verliert. Bezahlen wird ihre Kosten zum Schluss ihr Prozessfinanzierer, „Hate Aid“. Klagen ganz ohne Risiko also.
Die Anwaltskanzlei kann daher fröhlich „losklagen“, denn hinter ihr steht der Prozessfinanzierer „Hate Aid“. Angesichts der enormen Kosten werden sich viele Menschen aber erst gar nicht gegen die Abmahnungen zur Wehr setzen, weil sie die finanziellen Mittel nicht haben, oder Angst vor den enormen Verfahrenskosten haben. So verschwinden also zahlreiche Aussagen „ganz automatisch“ aus dem Netz, selbst wenn diese rechtlich zulässig sein sollten.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigungen im Gegensatz zu den Anwaltsgebühren, nicht versteuert werden müssen. Es könnte sich daherum ein „Hybrid System“ handeln, bei dem mögliche Geldentschädigung „Teil des Kuchens“ sind.
So sagte mir die Prozessvertreterin der Gegenseite auch am Telefon, dass es der Frau Neubauer gar nicht auf die Entschädigung ankommen würde. Verstehe ich nicht, wer doch angeblich in seiner Persönlichkeit doch so schwer verletzt wurde, und eine Geldentschädigung einklagt, der hat gar kein Interesse an einer solchen Entschädigung, habe ich dies richtig verstanden?
Daher besteht aus meiner Sicht jedenfalls der Verdacht, dass die Geldentschädigung lediglich ein Teil des Kuchens ist, der nur deshalb geltend gemacht wird, um steuerfrei Einnahmen für den Anwalt zu generieren – ein Geschäftsmodel zu Lasten des Staates. Diese Hintergründe wurden im Rahmen des Verfahrens aber gar nicht erst berücksichtigt. Der telefonische Vorschlag der Gegenseite auf die Anwaltsgebühren zu verzichten, könnte aus meiner Sicht sogar der Versuch eines Betruges zu Lasten der Staatskasse darstellen, indem man auf bestehende Anwaltsgebühren freiwillig verzichten will und sich dafür nicht bestehende Forderungen auf Geldentschädigung einstreichen möchte.